31 Januar 2011

Eigentlich »verrückt«

Ist ja eigentlich verrückt: Ich fliege am Freitag nach Lissabon - und ausgerechnet jetzt fällt mir eine Geschichte ein, die in Südfrankreich angesiedelt sein MUSS. . .

Andererseits: Als ich das erste Mal in Lissabon weilte, schrieb ich an einer Geschichte, die in den Schweizer Bergen spielte - und als ich zurück in der Schweiz war, verfasste ich den zwingend dazu gehörenden Teil über Lissabon... (ISBN 9-783837-070996, Roman, 2008/2009)

Dieses Dorf, es hat bereits in »SehnSucht« (ISBN 9-783839-115855, Erzählung, 2009), wenn auch ungenannt, eine gewisse Rolle gespielt, hat mich scheinbar nicht mehr losgelassen, seit ich dort, vor über dreissig Jahren, einmal »angekommen bin« und dies in einer »verrückten Mission«: Einem Bekannten zuliebe bin ich hingefahren, um einen Maler zu interviewen, der noch nie in seinem Leben ausgestellt hatte.

29 Januar 2011

Eine neue Geschichte reift

Mir ist eine kleine Geschichte zugeflogen letzte Nacht. Nun will sie »nur noch geschrieben sein«. Es wird also demnächst nach »SehnSucht« und »Herzbluten« eine weitere Erzählung geben.

Der Anfang und der Schluss waren mir fast bis ins Detail klar, als ich aufwachte und auch so ziemlich genau, was sich dazwischen zutragen würde. Ich brauche also nicht ins »Leere hinauszuschreiben« diesmal, ich werde mich nicht unablässig fragen müssen, wie sich die Geschichte entwickeln würde und sollte oder müsste, und ich dürfte auch keine unliebsamen Überraschungen erleben, wie sie sich manchmal einstellen, verhält sich oder denkt und argumentiert plötzlich einer der Protagonisten so vollkommen anders, als man es »geplant« oder vorhergesehen hatte.

Doch hat sich dies auch schon als gefährlich erwiesen: Fast den ganzen Ablauf klar vor Augen zu haben, bevor ich auch nur eine Zeile geschrieben habe. Denn einige Male hat sich bei mir Langweile eingeschlichen, da ich schon wusste, wie alles enden würde - weshalb also sollte ich die Geschichte überhaupt noch schreiben?

Diesmal werde ich sie jedoch zu Papier bringen.

Versprochen!

19 Januar 2011

Das geschlechtsneutrale Straßenschild

Eigentlich wollte ich mir ja eine witzige Bemerkung zum Versuch erlauben, die Schweizer Straßenschilder »geschlechtsneutral« zu gestalten: Der bisherige »Fußgänger« und der »Bauarbeiter« (»Achtung Baustelle«) sollen, schrieb eine Zeitung, durch »Strichmännchen« ersetzt werden.

Was ja so nicht geht, bitte schön – es müssten Strichfigürchen oder Strichpersönchen sein, denn rasch kam ich darauf, dass alles viel komplizierter ist und ich quasi nur die Spitze oder Spitzin des Eisbergs oder der Eisbergin wahrgenommen hatte.

So hat man in der Stadt Bern festgelegt, dass es nicht mehr »Vater« oder »Mutter« heißen soll, sondern »das Elter« (oder »das Elternteil«). Oder es hat die Schweizerische Eidgenossenschaft in einem 192 Seiten starken Leitfaden (»geschlechtergerechte sprache« überschrieben), unter vielem anderem mehr erkannt: »Grammatisch ist "wer" männlich. Dies erkennt man daran, dass Pronomen, die sich auf wer beziehen, in der männlichen Form stehen.«

Und so geht es weiter.

Manche Hinweise mögen dabei ja mehr als bloße Spitzfindigkeiten sein – ein weiteres Beispiel aus den 192 Seiten: Mit der Formulierung, »Christa Wolf ist eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts«, hält die Schweizerische Eidgenossenschaft fest, sei »Christa Wolf nur in Bezug auf die schreibenden Frauen eine der bedeutendsten, nicht aber in Bezug auf die Gesamtheit der schreibenden Männer und Frauen.« Folglich müsse es heißen: »Christa Wolf gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen und Schriftstellern des 20. Jahrhunderts«, oder: »Christa Wolf gehört zu den bedeutendsten Literaturschaffenden des 20. Jahrhunderts.«

Mitunter führt der Spracherneuerungseifer indessen auch in die Irre. So empfiehlt die amtliche Schweiz, nicht länger die Formulierung zu verwenden: »Die Frau betreut die Kinder, und der Mann geht einer Erwerbsarbeit nach«, sondern besser schreibe man doch: »Die Eltern kümmern sich gemeinsam um die Kinder und sind beide erwerbstätig.«

Natürlich ist sofort klar (sogar mir als Mann), was gemeint ist, aber der Inhalt der beiden Sätze ist dennoch nicht identisch. Im ersten Fall arbeitet die Frau in jedem Fall zu Hause und der Mann außerhalb des Hauses – im zweiten bleibt das offen.

Mir fiel nach langen Überlegungen und Lesestunden eines vor allem auf: In den Kantonen, in vielen Hochschulen, auch in Städten gibt es Gleichstellungsbüros und sie alle haben unter anderem Leitfäden produziert – eventuell gemeinsam oder doch hoffentlich einigermaßen koordiniert, aber immerhin: Überall wurde und wird noch eine persönliche Note hineingebracht – und als steuerzahlende Person männlichen Geschlechts beginne ich mir die alte Frage zu stellen: »Wer soll das bezahlen?«

Ist natürlich grässlich gemein und sowieso falsch, dass man als Mann das fragt – denn ich lese andernorts: »Eine geschlechtergerechte Sprache ist kein zweitrangiges Problem für unsere Gesellschaft. Dass sie sich noch nicht durchgesetzt hat, liegt einerseits an der Angst der Männer vor Machtverlust, andererseits daran, dass die Frauen die sexistische Alltagssprache und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu einem hohen Grad ebenfalls verinnerlicht haben.«

Auch dies habe ich auf meiner Suche nach flammenden Protesten gegen den zum Verschwinden verdammten arbeitenden Bauarbeiter männlichen Geschlechts auf den schweizerischen Straßentafeln zur Kenntnis genommen. Mann schweigt, denn Mann hat keine Angst vor Machtverlust, höchstens davor, dass uns dereinst die Probleme ausgehen.

13 Januar 2011

Der weiße Raum

Als beträte man einen großen, weißen Raum: Ich habe vier Wände zur Verfügung und die Decke und den Boden, falls die Wände nicht ausreichen, um jenes gewaltige Gemälde entstehen zu lassen, von dem ich offensichtlich derart begeistert gesprochen habe, dass man mir dieses Zimmer, einen eigentlichen Saal mit opulenten Ausmaßen zur Verfügung gestellt hat.

Noch kann niemand das Bild sehen – nur ich. Ich habe es schon vor meinem geistigen Auge gesehen, bevor ich in das Haus eingetreten bin, und jetzt, da ich dieses Zimmer vor mir habe, weiß ich bereits nach wenigen Minuten sehr genau, wie es dereinst aussehen wird: Hier, gleich links der Türe werde ich diese Personengruppe platzieren, von der ich geträumt habe, und dort den Engel, alles fügt sich in Sekundenschnelle zusammen, alles scheint sich beinahe automatisch an die richtige Stelle zu bewegen, und schon sehe ich das Bild in seiner ganzen Pracht vor mir, obwohl der Raum sich rundherum noch in einem vollkommenem Weiß präsentiert.

Ich skizziere in aller Eile alles mit Kohle, schnell und unvollkommen, einige Striche bloß. Dieser und jener Einzelheit, da ich bereits jetzt etwas detailverliebt bin, widme ich allerdings etwas mehr Zeit, während ich an anderen Stellen bloße Platzhalter hinzeichne. Es muss rasch gehen, damit ich nichts vergesse, denn manche Gedanken und Ideen und Vorstellungen verflüchtigen sich leider nur allzu schnell.

Natürlich verändert sich im Verlaufe meiner weiteren Arbeit, während des liebevollen stunden- und tage- und wochenlangen Malens und Ausmalens, noch einiges, hier wische ich ein skizziertes Element weg, dort übermale ich eine Partie...

In genau dieser Art und Weise schreibe ich meine Bücher.

09 Januar 2011

Wie die Welt wohl aussähe?

»Mit vollem Magen schläft sich schlecht«: Ich habe mich vergangene Nacht daran erinnert (eigentlich eine Binsen-wahrheit) und mich also durch das nachmitternächtliche TV-Angebot durchgezappt, um auf »ZDF neo« hängen zu bleiben. Was zwischen dem Einschalten und diesem Fund lag ... – nur so viel: Ich hab’s überlebt.

Jedenfalls platzte ich in die Wiederholung dieser »Kult am Sonntag«-Sendung mit und über Abba und damit mitten in die siebziger Jahre hinein. Nicht, dass Abba an mir damals spurlos vorbeigegangen wären, aber, wurde mir plötzlich bewusst: Dazwischen liegen rund vierzig Jahre! Die Klamotten! Die Frisuren!! Die Zuhörenden und Mitwippenden und Mittanzenden und Mitklatschenden – waren sie damals zwanzig, sind sie heute sechzig Jahre alt!!!

Was habe ich damals getan und was hat die Welt bewegt – vieles, vielleicht allzu vieles ist der kollektiven oder doch meiner persönlichen Vergesslichkeit zum Opfer gefallen, si-cherlich: Vieles vollkommen zu Recht, andere Dinge und Er-eignisse und Entwicklungen oder Unterlassungen hätten es jedoch sicher oder eventuell verdient, als Beispiel Bestand gehabt zu haben, beispielsweise, damit wir nicht ständig Feh-ler wiederholen, die schon einmal gemacht worden sind.

Doch dies trifft nicht nur auf die siebziger Jahre zu.

Wie die Welt wohl aussähe, wären alle Fehler nur einmal begangen worden?
Ob dieser Frage, auf die es keine verbindliche Antwort gibt, bin ich dann doch eingeschlafen.

***
Das Bild, übrigens, stammt von zirka 1972, ein Selbstporträt.

08 Januar 2011

Wiedersehen

In den »seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger« (Folge 2, »Die Hexe von Ödach«), einer der Vorabendserien aus den sechziger Jahren des vorhergehenden Jahrhunderts oder - wie pathetisch das doch klingt: vorigen Jahrtausends - wiedergesehen: Eine junge Ruth Drexel, die schon damals diesen schief gezogenen Mund zeigte, mit dem sie spät so manchen Giftpfeil auf den Bullen von Tölz abschoss.

Was mich einmal mehr zur Frage geführt hat, was uns von der Vergangenheit in Erinnerung bleibt - und was uns und weshalb es Relevanz vorgaukelt.


(»Ist dies relevant, frage ich mich, ist dies relevant? Danach schreit doch alles in diesem Zeitalter der Oberflächlichkeit und Beliebigkeit: nach Relevanz!« - Aus: »Die Zukunft der Zukunft - Zur Vorspeise die Flamme (1)«, ISBN 978-3-8423-3969-9, 2010)

04 Januar 2011

»Welches Genre bedienen Sie?«

»Welches Genre bedienen Sie?«, fragt sie oder fragt er, und diese Person bringt mich in Verlegenheit. »Keines«, möchte ich antworten. Doch geht das? Darf man diese Antwort geben oder auch nur daran denken, sie geben zu wollen? Es muss doch alles katalogisiert werden können! Es muss doch Ordnung herrschen! Ein Label will verliehen sein. Manchmal, muss ich zugeben, werde ich richtig neidisch: Diese Person schreibt Krimis, jene Liebesgeschichten und eine andere historische Romane.

Und ich?

Es will sich partout keine »einfache Geschichte« einstellen oder zumindest keine, die sich in diesem oder jenem säuberlich angeschriebenen Fach ablegen lässt.

Und das stimmt mich glücklich.

03 Januar 2011

Die Suche nach Perfektion

 »Ich wollte eine vollkommene Arbeit abliefern, ein gültiges Resultat, ich habe nie begriffen, weshalb die Lehrer uns einerseits ermahnt haben, unsere Aufträge sorgfältig und gründlich und bedacht zu erfüllen und uns andererseits die Zeit nie ließen, den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen, ich empfand dies stets als Widerspruch, wenn nicht gar als Beleidigung.«

»Manchmal lohnt es sich nicht, perfekt sein zu wollen«, lacht Ludwig Engelsmann weiter, »und heutzutage schon gar nicht mehr. Alles muss schnell gehen, sofort bereit sein, Antworten erwartet man, bevor die Fragen gestellt sind.«

Aus: »Die Zukunft der Zukunft - Zur Vorspeise die Flamme Teil 1« (ISBN 978-3-8423-3969-9), erschienen im Dezember 2010