25 März 2011

Ein kläglich ohnmächtiges Leben

Welch kläglich ohnmächtiges Leben: Der Blick ins Internet zu früher Morgenstunde (und immer wieder im Verlaufe des Tages): Was hat sich beim Kernkraftwerk in Japan ereignet (nebenbei liest man: schon über 10'000 Erdbeben- und Tsunami-Tote geborgen)? Haben die Bomben in Libyen getroffen (nebenbei liest man: die Bodenkämpfe gehen weiter - kämpfen heisst töten und/oder getötet werden)? Weiter unten lese ich: Ein Erdbeben in Burma. Und ich lese: Noch ein »Herrscher«, der auf »sein Volk» schiessen lässt.

Und ich nehme zur Kenntnis, dass sich Lothar Matthäus die »Chance seines Lebens« bietet, wenn er nämlich mit Bulgarien die Schweiz und damit seinen Lehrmeister Ottmar Hitzfeld »besiegt« (auf dem Fussballfeld nämlich) und dass Lena und Unheilig bei den Echo-Preisen in Berlin abgeräumt haben und dass britische Abgeordnete aus dem Unterhaus twittern dürfen und dass Prinz William und Kate ihren Haushalt ohne Personal führen möchten. Und während ich darüber noch nachdenke, stelle ich - die wohl unterste Markierung auf der Skala möglicher Probleme - wenig überrascht fest, dass im Zürcher Tram das elektronische Informationssystem schon wieder nicht funktioniert.

Wie kann man angesichts all dieser Schrecken und vor allem dem scharfen Kontrast zu all den banalen Ereignisse einfach weiter sein (und: schreiben, da dies ein wesentlicher Teil meines Lebens ist), als würde nichts geschehen oder wäre nichts passiert?

Die Erkenntnis ist nicht neu und grossartig ist sie schon gar nicht: Die Welt würde keinen Deut besser, wollte ich mich ihr und ihrem Alltag entziehen.

Was nicht wirklich dazu beiträgt, das Gefühl der Ohnmacht zu besänftigen.

22 März 2011

Der Käfig - eine Notiz zum Tag

»Lasst mich raus aus diesem Käfig«, bettelt er, durch die Stäbe kann er zwar ein kleines Stück Freiheit greifen, von einem Stapel vielleicht ein, vielleicht zwei Blatt Papier heran und in sein winziges Verließ ziehen, um sich dem kurzen Lesen zu widmen (wie wenig Sätze doch auf einer oder zwei Seiten Platz haben und sind sie noch so eng beschrieben!), sein Lebensraum ist beschränkt auf die wenigen – sind es vier, fünf, wenn es hoch kommt, gar sechs? – Quadratmeter seiner Zelle, in der er täglich acht bis zehn Stunden einer Tätigkeit nachzugehen hat, die man ihm zuweist, zuvor und danach darf er je eine Stunde schreiben, höchstens, und ungeachtet dessen, ob er sich gerade mitten in einem schwierigen Satzkonstrukt befindet, wird ihm das Papier und das Schreibgerät weggenommen, kaum ist die Zeit abgelaufen (oder kurz zuvor), die man ihm für diese private Tätigkeit zugebilligt hat, »lasst mich raus aus diesem Käfig«, schreit er und vernimmt als Antwort bloß ein Lachen, von weit her erreicht es sein Ohr, es verhöhnt ihn, das Gelächter, er sinkt zurück und denkt, dass er ihm einige Zeilen widmen wird gleich morgen früh, wenn man ihm erneut ungefähr (maximal!) sechzig Schreibminuten gönnen wird.

20 März 2011

Ich bin in diese Geschichte eingetreten

Ich habe Platz genommen darin, in diese Geschichte bin ich eingetreten, wie ich in allen Geschichten Platz nehme, früher oder später, ich, der ich unter Umständen er bin, oder der eine oder der andere der beiden Freunde oder sie alle beide oder der Beobachtende oder ein zufälliger Passant, und ich sehe sie und ich beobachte sie, ohne etwas zu sagen, ich werde mich hüten, mich einzumischen, das ziemt sich nicht, man soll nicht immer einen Weg vorgeben oder den eingeschlagenen korrigieren, sanft oder indem ich hart und konsequent eingreife, nein, das werde ich nicht tun, diesmal so wenig wie all die Male zuvor, >was faselst du da, fantasierst du, quälen dich Fieberträume?<, sie ist besorgt, und ich oder er oder wir alle winken ab: >Mir, ihm, uns, geht es gut, sorge dich nicht, wenn ich erst einmal geschlafen habe. . .<, doch genau dies will sie, wird mir bewusst, mit allen Mitteln verhindern, ich weiß nicht, weshalb, aber ich lasse es geschehen (oder du oder er oder dieser andere Typ oder wir alle), sie sorgt sich so rührend um mich, ich will sie nicht enttäuschen.
(Aus dem Entwurf zu: «DIE ZUKUNFT DER ZUKUNFT(ZUR VORSPEISE DIE FLAMME - 2)» - Teil 1 ist erhältlich unter ISBN 978-3-8423-3969-9 (Roman, 188 Seiten, Gebunden)

14 März 2011

»Zeitweise halte ich es fast nicht mehr aus in dieser Welt«

Fast glaubte ich schon, den zweiten Teil meiner Triologie aus dem Zyklus »Die Zukunft der Zukunft« (Bild: Band 1, ISBN 978-3-8423-3969-9, Roman, 188 Seiten, Gebunden) demnächst abschliessen zu können. Die Ereignisse und Vorgänge der letzten Wochen und Tage haben mich trauriger, zorniger und noch nachdenklicher und pessimistischer gestimmt. Meinem Helden Ludwig Engelsmann habe ich nun diesen neuen Einstieg in die zweite Diskussion am Tisch des Landgasthofes Bären im schweizerischen Emmental in den Mund gelegt:

»Zeitweise halte ich es beinahe nicht mehr aus in dieser Welt, es kotzt mich, verzeihe mir diesen Ausdruck, doch er trifft zu, dessen kann ich dich versichern, regelrecht an, alles, was um uns herum geschieht oder unterbleibt, alles, was uns aufgetischt oder was uns unterschlagen wird, das, was man vor uns geheim zu halten versucht und was man uns weismachen will, uns, diesem dummen und trägen Volk, das ohnehin nicht in der Lage ist, die Zusammenhänge zu erkennen und alles richtig einzuordnen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, und wir geben dieser Einschätzung, dieser beleidigenden und verachtenden Qualifikation auch noch Nahrung, denn uns scheint nur noch zu kümmern, wer nächstes Top-Model wird und ob dieser oder jener Kerl verurteilt wird beispielsweise, und wir lassen uns darauf reduzieren, über Fragen zu entscheiden wie: Wollen wir ein totales Rauchverbot, wollen wir ein Verhüllungsverbot, wollen wir Minarette oder nicht? Wir liefern uns hitzige Scheingefechte um solche Fragen und sind scheinbar zufrieden. Und was tun wir zwei derweil? Auch wir sitzen bloß herum in diesem Landgasthof im Emmental, wohin ich dich zum Essen eingeladen habe, wir unterhalten uns ganz nett und freundlich und gepflegt und breiten voreinander unsere kleinen und größeren Sorgen und Nöte und Freuden und Gelüste aus, wir überlegen uns zwischendurch, was wir essen sollen und unternehmen nichts weiter, wir sind nicht besser – und wohl auch nicht schlechter – als der Durchschnitt der Menschheit, was beileibe kein Ruhmesblatt ist. Wir unternehmen nichts, wir reihen uns ein in die lange Reihe von Menschen, die allesamt letztlich nichts unternehmen, auch wenn zwischendurch die verbalen Wogen hochgehen: Das Gros der Menschheit begibt sich tags darauf in die Büros und in die Betriebe und es werden Stöße von Akten und Berge überflüssiger Dinge produziert, als sei nichts geschehen, wir halten, sagt man, die Wirtschaft in Schwung und wir tragen zu freundlichen Aktienkursen bei, nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich zu Hause sitze, in meiner Stube oder im Garten, oder wenn ich über die Felder oder durch den Wald gehe, frage ich mich immer und mit jedem Mal eindringlicher, bohrender, quälender, mich selbst zerstörend oder an den Rand des Abgrunds manövrierend letztlich, ob denn niemand erkennt, was geschieht, oder ob eventuell einfach niemand sehen will, was sich ereignet und verändert und verschlimmert, von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde. Und dann muss ich mir sagen: Wir alle haben uns halt unser kleines, unser bequemes Leben eingerichtet, und selbst manche von jenen, die lautstark ein wie auch immer geartetes und motiviertes Umdenken fordern, haben dabei den Rest der Menschheit im Fokus und nicht primär sich selbst oder ihr eigenes, insbesondere ihr politisches Fortkommen oder Überleben: Bei den Anderen soll beginnen, was dereinst eine >neue Welt< werden soll, von ihr, dieser diffusen >Umgebung<, von der wir stets so genau wissen, wie sie sich eigentlich verhalten soll, erwarten wir ein Zeichen des Umdenkens, alle sind aufgerufen, aber jemand müsste ernsthaft damit nicht nur beginnen, sondern dies auch, und erst noch selbstlos durchhalten, das eigene Leben und das eigene Verhalten zu ändern ist nicht einfach, zugegeben, würde jemand, lautet unsere Ausrede oder Erklärung oder die Rechtfertigung unseres Zögerns, nur endlich beginnen, dann würden wir ebenfalls folgen. So geht es zu und her bei uns und in unserer und in vielen anderen Gesellschaften und nicht nur in unserem Staat und letztlich im größten Teil unserer Welt. Doch noch mehr als die Ereignisse und die Katastrophen und die Verbrechen und Grausamkeiten gegen die Menschheit selbst machen mir die Begleiterscheinungen zu schaffen, ja, so könnte man sie wohl nennen, dieses Verschweigen und Schönreden und Lügen und Aus-weichen, all dies, was uns einlullt und uns wiederum daran glauben lassen wird, dass nichts um uns herum geschieht, worüber wir uns Sorgen zu machen haben und was uns bestärken wird im Glauben, wir könnten, und dies auf ewige Zeiten, so weitermachen wie bisher. Alle jene bereiten mir in einer nach oben offenen Skala Mühe, lassen mich würgen und verursachen in mir einen Brechreiz, die von alledem profitieren und Wasser auf ihre eigenen Mühlen lenken wollen, denn dies bringt uns keinen Millimeter weiter. Wir konsumieren, was man uns vorsetzt, irgendwann ist die Aufmerksamkeit erloschen und wir wenden uns, angewidert oder abgelenkt oder weil wir uns ein wenig Erholung von den Schrecken gönnen wollen, einfach ab, wir knipsen überall im Haus oder in der Wohnung das Licht an und schalten den Fernseher ein und die Stereoanlage und was es sonst alles gibt und fahren weiter mit dem Auto herum – es ist uns schon lange egal, wo das Benzin herkommt – und haben sehr schnell vergessen, was wir uns und anderen soeben noch gelobt haben.«

13 März 2011

Worüber ich niemals schreiben würde?

Worüber ich nie schreiben würde - so ungefähr lautete die Frage. Und hier ist meine Antwort.

Grundsätzlich soll man nie «Nie» sagen. In anderen Berufen hat man es einfacher. «Ich würde nie Werbung für Zigaretten machen», könnte man beispielsweise sagen oder: «Autowerbung - nein danke.»

Aber beim Schreiben?

Wohl muss ich dieses vertrackte «Nie» also etwas genereller fassen: Ich würde (unter meinem eigenen Namen und belletristisch) nie etwas schreiben mit blossem Blick auf Auflagezahlen, ich würde grundsätzlich kaum etwas schönschreiben oder nur in der Absicht einen Text verfassen wollen, um damit Aufsehen zu erregen (was letzteres ohnehin schwierig geworden ist), damit fallen Fäkal- und andere eher unappetitliche Orgienformen schon einmal weg. . .

Spass beiseite: Ich wähle meine Themen nicht nach dem Ausschlussverfahren, das heisst, ich habe keine Aufzählung vor mir, die ich unterteilen würde in «bestimmt nicht», «nur in Notfällen», «eventuell», «wäre reizvoll» und «ganz bestimmt».

Was dann innerhalb eines Generalthemas angesprochen wird und was nicht, das hängt letztlich nicht mit solchen «Nie» zusammen, sondern mit der Geschichte und deren Rhythmus.

Bei der neuen Erzählung, an der ich derzeit arbeite, stellt sich dieses Problem. Das eine Seitenmotiv wäre zwar einerseits ganz reizvoll, wird andererseits aber eventuell nur deshalb weichen, damit der Erzählfluss nicht unnötig abgebremst wird (und wird vielleicht anderswo später «gebraucht»).

Nachtzulesen auf: Der Bücherwahnsinn

06 März 2011

Der Entwurf für das Cover von «Silberherz»

Derzeit arbeite ich an der Erzählung «Silberherz», die in Lissabon spielt. Bereits liegt auch der Entwurf für das Cover vor.

»Du bist ganz schön verrückt«, nahm sie schließlich den Faden wieder auf, den wir beim Wartehäuschen beiseitegelegt hatten, um auf dem Weg zu ihrem Haus über andere, noch unbedeutendere Dinge zu reden, »da wolltest du zum Rossio zurückgehen und bist halbwegs nach Belém hinaus marschiert. Und dies bei dieser Kälte und diesem grässlichen Regen.«

»Der Regen war wohl der eigentliche Grund, weshalb ich mich verlaufen habe«, verteidigte ich mich matt, »ich hatte eigentlich bloß beabsichtigt, einige Verdauungsschritte zu tun, bevor ich ins Hotel zurückkehren würde, und ich war in Gedanken versunken, so dass ich zu wenig auf den Weg achtete, den ich nahm.«