22 März 2011

Der Käfig - eine Notiz zum Tag

»Lasst mich raus aus diesem Käfig«, bettelt er, durch die Stäbe kann er zwar ein kleines Stück Freiheit greifen, von einem Stapel vielleicht ein, vielleicht zwei Blatt Papier heran und in sein winziges Verließ ziehen, um sich dem kurzen Lesen zu widmen (wie wenig Sätze doch auf einer oder zwei Seiten Platz haben und sind sie noch so eng beschrieben!), sein Lebensraum ist beschränkt auf die wenigen – sind es vier, fünf, wenn es hoch kommt, gar sechs? – Quadratmeter seiner Zelle, in der er täglich acht bis zehn Stunden einer Tätigkeit nachzugehen hat, die man ihm zuweist, zuvor und danach darf er je eine Stunde schreiben, höchstens, und ungeachtet dessen, ob er sich gerade mitten in einem schwierigen Satzkonstrukt befindet, wird ihm das Papier und das Schreibgerät weggenommen, kaum ist die Zeit abgelaufen (oder kurz zuvor), die man ihm für diese private Tätigkeit zugebilligt hat, »lasst mich raus aus diesem Käfig«, schreit er und vernimmt als Antwort bloß ein Lachen, von weit her erreicht es sein Ohr, es verhöhnt ihn, das Gelächter, er sinkt zurück und denkt, dass er ihm einige Zeilen widmen wird gleich morgen früh, wenn man ihm erneut ungefähr (maximal!) sechzig Schreibminuten gönnen wird.