13 Januar 2011

Der weiße Raum

Als beträte man einen großen, weißen Raum: Ich habe vier Wände zur Verfügung und die Decke und den Boden, falls die Wände nicht ausreichen, um jenes gewaltige Gemälde entstehen zu lassen, von dem ich offensichtlich derart begeistert gesprochen habe, dass man mir dieses Zimmer, einen eigentlichen Saal mit opulenten Ausmaßen zur Verfügung gestellt hat.

Noch kann niemand das Bild sehen – nur ich. Ich habe es schon vor meinem geistigen Auge gesehen, bevor ich in das Haus eingetreten bin, und jetzt, da ich dieses Zimmer vor mir habe, weiß ich bereits nach wenigen Minuten sehr genau, wie es dereinst aussehen wird: Hier, gleich links der Türe werde ich diese Personengruppe platzieren, von der ich geträumt habe, und dort den Engel, alles fügt sich in Sekundenschnelle zusammen, alles scheint sich beinahe automatisch an die richtige Stelle zu bewegen, und schon sehe ich das Bild in seiner ganzen Pracht vor mir, obwohl der Raum sich rundherum noch in einem vollkommenem Weiß präsentiert.

Ich skizziere in aller Eile alles mit Kohle, schnell und unvollkommen, einige Striche bloß. Dieser und jener Einzelheit, da ich bereits jetzt etwas detailverliebt bin, widme ich allerdings etwas mehr Zeit, während ich an anderen Stellen bloße Platzhalter hinzeichne. Es muss rasch gehen, damit ich nichts vergesse, denn manche Gedanken und Ideen und Vorstellungen verflüchtigen sich leider nur allzu schnell.

Natürlich verändert sich im Verlaufe meiner weiteren Arbeit, während des liebevollen stunden- und tage- und wochenlangen Malens und Ausmalens, noch einiges, hier wische ich ein skizziertes Element weg, dort übermale ich eine Partie...

In genau dieser Art und Weise schreibe ich meine Bücher.