07 September 2010

»Wie viel von dir selber steckt in deinen Büchern?«

»Wie viel von dir selber steckt in deinen Büchern?«, wurde ich gefragt - und das habe ich geantwortet:

Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, denn oft merkt man selber ja nicht oder ahnt nur, wie viel man von sich in ein Buch hineingegeben hat - und plötzlich sagt jemand (und man erwacht aus dem Traum, eine Geschichte erzählt zu haben, die so gar nichts mit der eigenen Person zu tun hat): «Da war ich doch dabei», oder: «Typisch für dich - so etwas kann auch nur dir passieren.»

In meinem ersten Roman, «Vom Leben», steckte, und dies bewusst, sehr viel von mir selbst drin, denn ich habe mir darin nach all den Jahren des Schweigens und des Suchens und der Pläne für ein Buch in Lissabon, wohin ich seither regelmässig zurückkehre, alles von der Seele geschrieben, was sich in der langen Zeit aufgestaut hatte mit der immer ultimativeren, schliesslich nicht mehr überhörbaren Forderung aus dem tiefsten Inneren: «Erzähle es.»

Allerdings habe ich (fast) alles verfremdet, umgeformt, Gedanken und Überzeugungen und Aussagen anderen Personen zugeordnet (beispielsweise der fiktiven Geliebten des Erzählers), und dies nicht nur einmal, sondern zwei-, drei-, viele Male, bis mir das Private und das Allzuprivate auf ein akzeptabel geringes Mass reduziert zu sein schienen, denn ich habe in meinem Kopf auf- und dabei vieles weggeräumt, aber doch nicht in der Absicht, mit einer «Lebensgeschichte» (oder gar -beichte) langweilen zu wollen!

«SehnSucht» sodann geht auf einen Besuch in einem kleinen französischen Dorf zurück, der vor Jahrzehnten stattgefunden hat; die Geschichte, deren Kontur mir damals bereits einfiel, ist aber rein fiktiv (bis auf die Person der weiblichen Protagonistin, die ich bei einer real existierenden Frau entlehnt habe). Und noch weiter weg von mir selbst ist die zweite Erzählung, «Herzbluten», während der Roman «UnGlück» wiederum auf eine sehr kleine Sequenz zurückgeht, die ich einmal in London erlebt oder besser: beobachtet habe. Hier steckt insofern sehr viel von mir drin, als ich die Geschichte fast zwanzig Jahre in mir herumgetragen habe und sie reifen liess, bis ich sie so erzählen konnte, wie ich sie schliesslich erzählt habe.

Sehr persönlich wird erst wieder mein im Entstehen begriffener (noch ist es mein übernächster, da «Der Anschlag» zwar fertig, aber noch nicht publiziert ist) Roman «Die Zukunft der Zukunft» sein, dessen Veröffentlichung ich für 2011 plane. Er erzählt sich einerseits ganz leicht, da vieles sich förmlich vordrängelt, um niedergeschrieben zu werden (was sich, beispielsweise, in den, zirka bei «Halbzeit», bereits über 600 angesammelten Buchseiten niederschlägt), und andererseits sehr schwer, da ich mich bei jeder dieser kleinen Begebenheiten, die gleichwohl nur Rand- und Seitengeschichten in einem grossen Rahmen sein werden, immer wieder neu frage und fragen muss, ob und wie ich sie erzählen soll - und noch schwerer fällt manchmal das Schreiben, da manches mich erneut erfreut, vieles aber auch einen damals empfundenen Schmerz wieder wachruft oder alte Wunden aufreisst.

Was aber so oder so in jedem meiner Texte - und ich denke in allen ernstzunehmenden - drinsteckt, ist dies: Viel, viel, unendlich viel Herzblut - eigenes natürlich. . .

Nachzulesen auf der Seite »Der Bücherwahnsinn«